Lesung: American Psycho
Sa. 26.06.2010 20.00 Uhr

Lesung: American Psycho
Lesung: American Psycho
Lesung: American Psycho

Der Wallstreet-Yuppie Patrick Bateman scheint ein normaler Oberschichten-Snob Mitte der 1980er zu sein: Er trägt teure Anzüge, hat eine überteuerte Wohnung und langweilt sich mit seinen oberflächlichen Bekannten in Luxus-Clubs oder auf Koks-Partys. Doch unter der Oberfläche verbirgt er mehr, als seine Bekannten erahnen können, denn er versucht, die Leere in seinem Leben auf die denkbar brutalste Weise zu kompensieren: Er misshandelt, missbraucht, vergewaltigt und tötet Menschen.

Im Laufe der Handlung verliert sich Bateman zusehends in seinem Blutrausch, wird drogensüchtig und weiß kaum noch zwischen Realität und Phantasie zu unterscheiden. Gegen Ende des Romans richtet Bateman im Apartment eines von ihm zuvor ermordeten Bekannten ein Blutbad an, das eigentlich nicht mehr verheimlicht werden kann. Er beichtet seinem Anwalt alle seine Greueltaten, muss jedoch erkennen, dass selbst sein Anwalt ihn ignoriert, das Ganze nur für einen Scherz hält und ihn mit einem anderen verwechselt. Dies stellt ein Schlüsselmotiv des Romans dar, zum einen, weil Bateman immer wieder (auch von engsten Bekannten) verwechselt wird, und zum anderen, weil er ständig seine Untaten gesteht, ohne Gehör zu finden: Hinweise auf die Oberflächlichkeit der Schickimicki-Gesellschaft, in der er sich bewegt. Als Bateman noch einmal nach den Opfern seines Massakers sehen will, die er in dem Apartment zurückgelassen hat, stellt er überrascht fest, dass diese schon alle beseitigt worden sind und die Wohnung frisch gestrichen ist und zum Verkauf angeboten wird. Auch der Taxifahrer, der ihn als den Mörder eines Kollegen wiedererkennt, zeigt ihn nicht etwa an, sondern will lediglich sein Geld und seine Rolex.

Bret Easton Ellis entwirft in American Psycho einen „Amerikanischen Albtraum“. Bateman hat das geschafft, wovon alle träumen: reich zu werden und ein sorgenfreies Leben zu führen. Dieses Leben ist jedoch von äußerster Langeweile und Leere geprägt. Den einzigen Inhalt, die einzige Abwechslung bilden Batemans albtraumhafte Sexorgien. Sein Geld und seine Zugehörigkeit zur Gesellschaft der Wohlhabenden haben ihn in Wirklichkeit nicht weitergebracht. American Psycho zeigt das böse Gesicht eines amoralischen Materialismus, aus dem es keinen Ausweg zu geben scheint. Die Frage, ob die sich ständig steigernden Gewaltexzesse real sind, aber von der Gesellschaft ignoriert werden, oder ob sie nur in der psychotischen Phantasie des Protagonisten stattfinden, lässt das Buch offen. Hiermit spielt Ellis möglicherweise auf das in seinen Romanen stets wiederkehrende Motiv des Identitätsverlustes an.

American Psycho bietet jedoch nicht nur eine Gesellschaftskritik, sondern auch das relativ realistische Porträt eines potentiellen Serienmörders. Der Roman liefert nämlich auch Anhaltspunkte dafür, dass Patrick Bateman nicht nur unter der Oberflächlichkeit seines Lebens leidet. Seine Ich-Erzählung offenbart immer wieder Charakterzüge, die auf eine narzisstische Persönlichkeitsstörung schließen lassen. Hierzu gehört z. B. Batemans Verhalten, als er vor Bettlern schadenfroh mit einem 100-Dollar-Schein herumwedelt oder als er in einem jüdischen Restaurant einen Cheeseburger bestellt und sehr aggressiv reagiert, als diese Bestellung abgelehnt wird (Käse mit Fleisch ist nicht koscher – wütend besteht er darauf, dass ihm ein koscherer Cheeseburger serviert wird).

Weitere Anhaltspunkte für eine Persönlichkeitsstörung ergeben sich daraus, dass Patrick Bateman zwar sehr eloquent ist, jedoch nur selten von seinen Emotionen schreibt. Gefühle wie Liebe scheinen ihm fremd zu sein, seine Serienmorde erzählt er kühl und sachlich, so wie dies oft bei ähnlichen Geständnissen von Serienmördern der Fall ist. Er scheint trotz seiner ungeheuerlichen Taten nie sonderlich aufgeregt, sondern stets äußerst kaltblütig zu handeln. Auch über den Besuch seiner Mutter im Altersheim berichtet er vollkommen gefühllos. Das einzige Kapitel, in dem er, abgesehen von Emotionen wie Wut oder Langeweile, wirkliche Gefühle zu zeigen scheint, ist das, in dem er von seiner Bewunderung für die Musik seiner Lieblingsband, die Progressive-Rock-Gruppe Genesis, berichtet. Indirekte Hinweise darauf, dass Batemans Verhalten aus seiner Vergangenheit zu erklären sein könnte, finden sich insofern, als der Leser kaum etwas über seine Kindheit und Jugend erfährt und dass auf einem Familienfoto mit dem Blick seines Vaters etwas "nicht stimmt", man aber ansonsten nichts über diesen Vater erfährt.

Patrick Bateman hat außerdem einen sprechenden Namen: Aus Hitchcocks Film Psycho ist die Figur Norman Bates bekannt, der ahnungslose Frauen in seinem Motel (Bates’ Motel) umbringt. Der Name Bateman erinnert an ihn.
Es lesen: Yvonne Misso und Norbert Ripke

Eintritt frei

Veranstalter: Kulturzentrum "Langer August" und Bluesstammtisch Dortmund

Ort: Dachboden